Die Harnröhrenenge des Mannes ist ein komplexes Krankheitsbild. Es betrifft ca. 1% der Männer, das Auftreten nimmt mit zunehmendem Alter zu. Ursächlich sind ärztliche Interventionen wie Katheterisierungen oder Operationen am Harntrakt sowie Traumata, wiederkehrende Infekte und selten auch Tumorerkrankungen.
Harnröhrenengen (Strikturen) sind narbige Verengungen der Harnröhre, die zu einer Einschränkung des Harnstrahls führen. Typischer Weise ist der Harnstrahl beim Vorliegen einer Striktur abgeschwächt, aufgefächert oder verdreht. Im schlimmsten Fall kann dies zum vollständigen Harnverhalt führen, das Wasserlassen ist nicht mehr möglich.
Harnröhrenengen führen häufig zu einer langwierigen ärztlichen Behandlung und können die Lebensqualität der Patienten deutlich beeinträchtigen.
Somit ist die frühzeitige Diagnostik beim Urologen massgebend um eine optimale Behandlung in die Wege leiten zu können.
Diese umfasst in der Regel einen operativen Eingriff, in dem die Harnröhre zunächst über den Zugang durch die Harnröhre eröffnet wird. Hierfür können feine Klingen oder Laser zum Einsatz kommen. Hiernach liegt das Risiko für ein Rezidiv bei etwa 70%, weswegen bei Rezidiven oder jüngeren Patienten in der Regel ein offener Eingriff zur plastischen Rekonstruktion der Harnröhre (ggf. mit Mundschleimhaut) nötig wird. Hiernach liegt das Risiko für ein Rezidiv lediglich noch bei 5-10%.
Bei der Erstdiagnose einer Harnröhrenstriktur erfolgt zunächst die Abklärung des Befundes in unserer Ambulanz mit dem Videoinstrument, ggf. auch mittels Röntgenuntersuchung.
Dann wird in der Regel ein Eingriff in Narkose zum Eröffnen der Harnröhrenenge geplant. Bei der Harnröhrenschlitzung (Urethotomie) wird mit dem Video-Instrument unter Sicht die Engstelle der Harnröhre sorgfältig mit einem feinen Messer oder dem OP Laser längs gespalten. Hiernach kann die Harnröhre vollständig inspiziert und auch die darüber befindliche Prostata und Harnblase vollständig eingesehen werden. Falls nötig können auch hier Veränderungen abgetragen werden.
Nach dem Eingriff wird ein Dauerkatheter eingelegt. Dieser wird für 1-2 Tage je nach Befund belassen um anfängliche Blutungen und Schmerzen zu verhindern. Nach Entfernung des Katheters und Kontrolle der Blasenentleerung kann die Entlassung nach Hause erfolgen.
Nachdem es bei gut 2/3 der Patienten im Verlauf zu einem Rezidiv der Harnröhrenenge kommt, dient dieser Eingriff vor allem der Sichtung der Harnröhre in Vorbereitung für die weitere operative Versorgung mit der Mundschleimhautplastik.
Bei wiederkehrenden Harnröhrenengen sollte eine offene Harnröhrenplastik angestrebt werden. Hierbei wird die Narbe der Harnröhre freigelegt. Wenn es sich um eine sehr kurze Narbe handelt kann diese einfach ausgeschnitten und die Harnröhre wieder vereinigt werden. Man spricht von einer End-End Anastomose. Das Verfahren ist unkompliziert, jedoch limitiert, da nur sehr kurze Engen in Frage kommen. Andernfalls würde das ausgeschnittene Stück Harnröhre zu einer Verkürzung des Penis bei Erektion führen. Somit bedarf es bei längeren Engen einem anderen Verfahren, der sogenannten Harnröhrenplastik mit Mundschleimhaut.
Bei wiederkehrenden oder komplexen Harnröhrenengen sowie jungen Patienten empfiehlt sich zur Versorgung einer Harnröhrenenge die offene Operation. Früher wurde hierfür die Engstelle aus der Harnröhre vielmals einfach ausgeschnitten und die Enden der Harnröhre miteinander zusammengenäht. Dies hat häufig zu einer Verkürzung der Harnröhre mit Schmerzen und Penisverkrümmungen bei Erektion geführt, da die Harnröhre im Verhältnis zu den Schwellkörpern zu kurz geworden ist.
Somit wurde die Technik der Mundschleimhautpalstik entwickelt. Hier wird die Narbe der Harnröhre längs gespalten und das nun fehlende Gewebe mit Mundschleimhaut ersetzt Somit entsteht ein weites Lumen ohne das Risiko einer Harnröhrenverkürzung bei optimalen Heilungschancen.
Für die Mundschleimhautplastik wird aus der Wangeninnenseite ein 1,5cm breiter und von der Länge der Enge entsprechend angepasster Streifen der Mundschleimhaut entnommen. Dieser wird entsprechend ausgedünnt und unter Zuhilfenahme einer Lupenbrille und feinsten Nähten in das Lumen der Harnröhre eingenäht. Dabei macht man sich die hervorragenden Selbstheilungskräfte des Mundschleimhautgewebes zu Nutze, um die Engstelle in der Harnröhre langfristig offen zu halten. Dieses gut etablierte Verfahren bieten wir am Spital in Thun als Gold-Standard der Behandlung der Harnröhrenenge an. Die Heilungsrate liegt bei rund 90-95%.
Der Krankenhausaufenthalt beträgt in der Regel 7-10 Tage wobei die Patienten in der Regel mit einliegendem Dauerkatheter für eine Woche entlassen werden, bevor dieser dann entfernt und die Harnröhre für das Wasserlösen freigegeben wird.
Bei der Mundschleimhautplastik erfolgt die Entnahme der Mundschleimhaut aus der Wangeninnenseite mit anschliessender Einnaht in die Harnröhre.
Der Optilume Ballonkatheter ist ein neues und innovatives Verfahren in der Behandlung der Harnröhrenstrikturen. Seit Zulassung in Europa und der Schweiz haben die Studien sehr gute Rezidivfreiheiten bis zu 80% zeigen können. Dabei wird der Ballon unter Sicht in die Harnröhre in den Bereich der Enge eingebracht und dort mit Druck aufgepumpt. Dies dehnt die Harnröhre auf. Das auf dem Ballon aufgebrachte Zytostatikum Paclitaxel wird binnen Minuten ans Gewebe abgegeben und verhindert in den kommenden Tagen die Neubildung einer Narbe. Das Verfahren ist minimal-invasiv und kann ambulant ohne Narkose angewandt werden. Teils empfiehlt sich jedoch die Kombination mit einer Harnröhrenschlitzung, um die Harnröhre noch gezielter eröffnen zu können. Derzeit wird das Verfahren von der Krankenkasse noch nicht übernommen, erspart jedoch in vielen Fällen die deutlich aufwändigere und Nebenwirkungsreichere Harnröhrenplastik mit Mundschleimhaut. Sprechen Sie uns an, wir können Ihnen diese Therapie bei uns in Thun als eines der ersten Zentren in der Schweiz anbieten.
Die Nieren sind die beiden harnbildenden Organe im Körper. Der Urin wird im Gewebe der Niere gebildet und vom sogenannten Nierenbecken aufgefangen, dann über den Harnleiter in die Blase geleitet. In seltenen Fällen besteht eine angeborene oder sekundär erworbene Engstelle zwischen dem Nierenbecken und dem Harnleiter. Dies kann durch Narben, Entzündungen oder angeborene Ursachen wie ein besonderer Verlauf von Blutgefässen verursacht werden. Somit staut sich der Urin in der Niere, das Nierenbecken bläht sich auf, die Nierenfunktion lässt bis zum vollständigen Verlust der Nierenfunktion nach und es kann zu Schmerzen und Beschwerden im Bereich der betroffenen Niere kommen.
Die Nierenbeckenabgangsenge kann in allen Altersklassen mit den typischen Beschwerden wie Schmerzen und Ziehen in der Flanke auffällig werden. Teils wird sie auch im Rahmen ärztlicher Untersuchungen als Zufallsbefund diagnostiziert. Wenn die Verdachtsdiagnose gestellt wurde erfolgt die weitere Abklärung um die Ursache sowie die Nierenfunktion zu bestimmen. Oft wird für eine gewisse Zeit ein kleiner Schlauch (DJ-Katheter) von der Blase zur Niere geschoben, um den Abfluss zunächst temporär bis zur endgültigen Versorgung zu sichern (siehe DJ-Einlage).
Wenn die Niere eine ausreichende Restfunktion in der nuklearmedizinischen Prüfung der Niere (Isotopennephrografie - ING) hat und problematische Ursachen wie Tumoren des Harnleiters ausgeschlossen werden konnten erfolgt die Planung der zumeist minimalinvasiven operativen Versorgung des Nierenbeckenabgangs (Synonyme: Pyeloplastik/ Nierenbeckenplastik).
Hierbei wird mit dem DaVinci OP Roboter in Vollnarkose der Abgang des Harnleiters vom Nierenbecken freigelegt, durchtrennt und mit weitem Lumen erneut zusammengenäht. Durch den modernen OP Roboter kann der Eingriff über lediglich drei bis vier kleinste Schnitte von maximal 1,5cm Länge mit optimalen Bedingungen erfolgen. Der Operateur hat währen der Operation eine 10x Vergrösserung des feinen Harnleiters, so dass eine äusserst präzise Rekonstruktion mit feinem Nahtmaterial möglich ist. Der zumeist bereits vor der Operation liegende DJ-Katheter wird belassen. Hierdurch wird der Urin an der frischen Naht vorbei geleitet, so dass die Nähte ausheilen können ohne vom Urin durchdrungen zu werden. Der DJ-Katheter kann dann einige Wochen nach der Operation nach Abheilung der Nähte ambulant entfernt werden.
Der stationäre Aufenthalt beträgt in der Regel 3-4 Tage. Die Aussicht auf dauerhaften Erfolg liegt bei 90-95%.
Die Nieren sind die beiden harnbildenden Organe im Körper. Der Urin wird im Gewebe der Niere gebildet und vom sogenannten Nierenbecken aufgefangen, dann über den Harnleiter in die Blase geleitet. Durch Neubildungen, vorangegangene Operationen oder Bestrahlungen kann eine Engstelle am Harnleiter entstehen. Der Abfluss des Urins von der Niere in die Blase wird behindert, es kommt häufig zu Schmerzen und Beschwerden. Teils erfolgt die Diagnosestellung auch als Zufallsbefund im Rahmen einer ärztlichen Untersuchung.
Wenn eine Harnleiterenge diagnostiziert wurde muss zunächst der Abfluss der Niere gewährt werden. Hierfür wird zunächst ein kleiner Kunststoffschlauch (DJ-Katheter) von der Blase zur Niere eingelegt. Dieser hält den Harnleiter offen und behebt das Problem temporär. Sollte dies nicht möglich sein da der Harnleiter vollständig verschlossen ist, wird eine Drainage von aussen (Nierenfistel) in die Niere gelegt. Somit ist der Abfluss des Urins aus der Niere gesichert. Nun gilt es die Funktion der möglicherweise bereits geschädigten Niere festzustellen und die Ursache für die Harnleiterenge abzuklären.
Hat sich die Niere als fit und erhaltungswürdig herausgestellt und sollte die Ursache für die Engstelle ein einfaches Herausschneiden zulassen ist die Neuimplantation des Harnleiters in die Blase nötig.
Hierfür gibt es unterschiedliche OP-Techniken um die nun fehlende Harnleiterstrecke zu überbrücken. Diese können am Spital Thun meist mit dem DaVinci OP-Roboter minimalinvasiv durchgeführt werden. Dies hat den grossen Vorteil, dass der empfindliche Harnleiter, der im hinteren Bauchraum verläuft unter Einsatz von starker Vergrösserung und mit feinsten Nähten unter 3D Sicht neu in die Blase implantiert werden kann. Ohne Roboter sind hierfür grosse Schnitte am Bauch nötig.
Die Implantation des Harnleiters in die Blase ist für einen Ersatz von bis zu 15 cm Strecke problemlos möglich. Sollte der verbleibende Harnleiter zu kurz sein, um diesen spannungsfrei in die Blase zu implantieren kann die Blase seitlich Richtung Harnleiter mobilisiert und an die Sehne des Psoas Muskels fixiert werden um die strecke zu überbrücken, alternativ kann auch für längere Überbrückungen ein sogenannter Boari Lappen aus der Blase ausgeschnitten und als Harnleiterverlängerung hergenommen werden.
Sollte dies zur Rekonstruktion nicht ausreichen kann bei längeren Strecken über 15 cm Länge auch der problemlose Einsatz von Dünndarm erfolgen. Hierbei wird ein 15-20cm langes Stück des Dünndarms (terminales Ileum) entsprechend so aus der Kontinuität des Dünndarms entnommen, dass er als Ersatz des Harnleiters zwischen gesundem, weitem Harnleiter und Blase eingenäht werden kann.
Bei allen OP Techniken kommt heute in Thun insofern es die Situation der DaVinci OP-Roboter zum Einsatz. Dies ermöglich in minimal-invasivem Setting die schonende und äusserst präzise Operation mit kurzer Verweildauer im Spital und einer frühen Rekonvaleszenz in den Alltag.
Der vesikoureterale Reflux ist eine meist angeborene Erkrankung, bei der es zu einem mehr oder weniger starkem Rückfluss von Urin aus der Harnblase in den Harnleiter, teils bis zur Niere kommt. Beim Anspannen der Harnblase beim Wasserlösen wird ein Teil des Urins zurück zur Niere gepresst, dieser fliesst dann zu Ende der Miktion zurück in die Blase. Dies nennt man Pendelurin, die Blase wird bei der Entleerung nicht komplett leer. Dies begünstigt Infektionen der Harnwege und kann bis zur Schädigung der betroffenen Niere führen. Häufig macht sich der Reflux schon im frühen Kindesalter durch vermehrte Harnwegsinfektionen mit Nierenbeteiligung bemerkbar, in vielen Fällen verwächst sich die Situation in den ersten Lebensjahren. Hier ist vor allem die Infektprophylaxe zum Schutz der Nieren vor gehäuften Infektionen nötig. Bei länger bestehendem Reflux erfolgt in der Regel dann die operative Behandlung, hierbei stehen diverse Verfahren zur Auswahl.
Von einem sekundären Reflux spricht man, wenn nach operativen Eingriffen an der Harnblase der Rücklaufmechanismus des Harnleiters geschädigt wird. Auch hier kommt es zu einem ungewollten Rücklauf von Urin in den Harnleiter, gehäufte Harnwegsinfektionen können die Folge sein.
Therapie
Endoskopische Unterspritzung der Harnleitermündung: Deflux©
Bei der endoskopschen Unterspritzung des Harnleiters wird die klaffende Mündung des refluxiven Harnleiters in der Blase mit einem bioverträglichen Gel unterspritzt. Dadurch wird die Harnleitermündung im Bereich der Blase eingeengt, so dass es nicht mehr zum Rückfluss von Urin kommen kann. Dieses Verfahren ist wenig invasiv und wird vor allem bei weniger ausgeprägten Fällen angewandt.
Offene/ roboter-assistierte Antirefluxplastik
Insbesondere für höhergradig refluxive Harnleitermündungen mit einem ausgeprägten Rückfluss des Urins bis zur Niere eignet sich die endoskopische Unterspritzung des Harnleiters mangels Erfolg eher nicht. Hier wird in der Regel die operative Korrektur empfohlen. Bei der Antirefluxplastik nach Lich-Gregoir wird mit dem DaVinci OP Roboter der betroffene Harnleiter aufgesucht und bis zur Einmündung in die Harnblase freigelegt. Dann wird die Harnblasenmuskulatur von der Einmündungsstelle des Harnleiters über eine Strecke von wenigen Zentimetern längs gespalten, so dass die Blasenschleimhaut frei liegt. Der Harnleiter wird nun in diese Spalte eingelegt und die Muskulatur darüber verschlossen. Somit verläuft der Harnleiter nach dem Eingriff über eine längere Strecke in der Blasenwand und wird mit zunehmender Blasenfüllung so komprimiert, dass ein Rückfluss zur Niere verhindert wird. Das verfahren lässt sich mit der modernen Roboter Technik minimal-invasiv schonend durchführen und hat eine Erfolgsrate von 98%.